Adam Stamp setzt das CERVO weihnachtlich in Szene.
Zur Wintersaison erstrahlt das CERVO in kreativer Hülle und weihnachtlichem Glanz: Verpackt und verziert mit Zeichnungen, Geschenkpapier, Schleifen, Bändern und verschiedenen Lichtdekorationen. Konzipiert und inszeniert wurde die Weihnachtsinstallation zusammen mit dem US-amerikanischen Künstler Adam Stamp, welcher bereits im Sommer als Artist in Residence im CERVO war. Adam ist in der Wüste von Arizona aufgewachsen, fährt leidenschaftlich gerne Ski und schöpft seine Inspiration aus Orten und der Sprache. Für den Künstler war die Installation am und im Mountain Resort eine spannende Herausforderung, denn die Verfügbarkeit von Materialien und Ressourcen ist im Alpendorf eher begrenzt – und (s)ein «richtiges» Atelier hat ihm gefehlt.
Ausgangspunkt von diesem Kunstprojekt sind wir – das CERVO – als Ort, als Marke, als Lebensgefühl. Die Elemente sind dekorativ arrangiert und stehen in Verbindung zum Zermatter Winter, der Après-Ski-Kultur und den weihnachtlichen Auto-Werbespots in den USA. Die Botschaft ist deutlich und tiefgründig: «Be giving, nicht giftig.» Es geht ums Geben und nicht ums (Ver)Schenken – also um eine Haltung, einen Lebensstil und nicht um eine Handlung. Kunst soll immer ein wenig abseits der Norm über das Alltägliche, das Erwartete hinausgehen – BEYOND eben – die CERVO-Weihnachtsinszenierung soll und will das auch.
Wir haben vor der Eröffnung mit Adam Stamp gesprochen – im Interview erfährst du, was ihn an- und umtreibt, was ihn bei der CERVO-Installation inspiriert hat, welcher Traum bald für ihn in Erfüllung geht und warum er jedes Weihnachten einen Nussknacker von seiner Mutter geschenkt bekommt.
Du warst im Sommer bereits im CERVO als Artist in Residence. Wie bist du auf dieses «Angebot» aufmerksam geworden – wie war die Erfahrung?
Das CERVO habe ich zufällig gefunden, als ich nach Kunstresidenzen in Zermatt gesucht habe – ich wollte hierher zum Skifahren kommen – und dann bin ich auf das «Cabin Essence»-Residenz Angebot gestossen. Weil ich mich für Hotels interessiere und die Vorstellung vom sich Zuhause fühlen, habe ich mir gedacht, das wäre doch die perfekte Kombination. In meiner Arbeit geht es um Schenken, Gastfreundschaft, Gastgebersein und ums Bedienen. Die Erfahrung, die ich hier im CERVO machen konnte, war also eine hervorragende neue Erkundung dieser Themen – die Menschen und die Umgebung haben meine Zeit zu einer wirklich produktiven, inspirierenden und erholsamen Erfahrung gemacht.
Jetzt bist du zum zweiten Mal in Zermatt – und es ist Winter. Ist es anders, was ist anders?
Mir kommt es so vor, als hätte ich hier schon drei Jahreszeiten erlebt: den Sommer, der wunderschön war und sich wie ein Zufluchtsort vor dem Rest der brennenden Welt anfühlte. Und jetzt, Winter und Herbst. Als ich angekommen bin, war es ein richtiges Winterwunderland, aber dann kam der Regen und in den letzten Tagen ist es herbstlich gewesen – knackig, klar, orange. Ich habe verschiedene Phasen des Hotels miterlebt: die Öffnung im Sommer, die dann in eine lebhafte Sommersaison überging, und jetzt die Nebensaison, die sehr gemütlich und entspannt ist. Ich kann es kaum abwarten, wie es im «richtigen» Winter sein wird. Ich werde auch noch ein paar Tage bleiben, wenn das Resort geschlossen ist, was im Grunde genommen ein Traum ist, der war wird.
Was magst du am CERVO – was an Zermatt?
Zermatt ist skurril und wunderschön, und ich liebe alles, was skurril und wunderschön ist. Ich kann es wirklich kaum abwarten, die richtige Skisaison zu erleben und zu sehen, wie die Dinge dann sind. Wenn ich das CERVO beschreiben sollte, würde ich sagen, es ist lässiger Luxus. Es ist eindeutig ein Fünf-Sterne-Hotel, aber nicht steif und verklemmt wie die meisten anderen Hotels. Es ist verträumt und funky und die Dinge, die nicht ganz «perfekt» sind, schaffen es irgendwie, charmant zu sein. Ungewöhnlicherweise schlafe ich hier sehr gut. Was mir am CERVO am besten gefällt, sind die Menschen, die hier arbeiten.
Seit dem 2. Dezember ist deine Weihnachtsinstallation am und im CERVO zu sehen. Hat das dekorative Installationsprojekt einen Namen/Motto? Was steckt dahinter?
Angesichts meiner thematischen Interessen an Kunst und meiner Begeisterung für Sprache, Text und Wortspiel ist «Das Gift/giftig» eines meiner Lieblingswörter/-konzepte im Deutschen – wie das Gift scheinbar dem englischen Konzept des Geschenks gegenübersteht. Aber tatsächlich denke ich, dass die Beziehung ziemlich tiefgreifend ist – «Geschenke/schenken» sind ein sehr kompliziertes Konzept, da sie fast immer mehr über den Gebenden aussagen als über den Empfangenden. Geschenke werden selten «erbeten» und können manchmal ein Mittel zur Kontrolle sein. In meiner Arbeit betrachte ich das Schenken als sehr geschlechtsspezifisch, zugunsten des Männlichen verzerrt, nicht einvernehmlich und ein wenig giftig. Also geht es bei diesem Projekt darum, «Gebend» zu sein, was mehr eine Haltung als eine Handlung ist. Das Schenken kann oft als grossartige Geste oder als Wiedergutmachung für Unrecht erscheinen, während das Geben einen Lebensstil darstellt. Ich denke, diese Idee passt sehr gut zur Marke CERVO und zu meinen persönlichen Bestrebungen. Ich möchte, dass meine Arbeit und mein Leben gebend sind, nicht giftig, aber oft scheitere ich trotz meiner besten Bemühungen, daher ist es gut, eine Erinnerung zu haben. Nennen wir das ganze Projekt: «Nicht giftig».
Beschreibe die Installation. Was gibt es zu sehen? Welche Materialien hast du verwendet. Hattest du Schwierigkeiten?
Es gibt Zeichnungen, Schleifen, Geschenkpapier und Licht-Installationen. In den USA gibt es an den Feiertagen immer diese Werbespots, in denen neue Autos mit einer grossen Schleife auf dem Dach präsentiert werden. Ich wollte schon immer meine eigene grosse Schleife entwerfen, und diese Gelegenheit ermöglicht es mir – also haben wir einige kleine Bänder für Objekte im Inneren des Hotels hergestellt, und dann werde ich ein riesiges Band von Hand für die Aussenseite des Hotels anfertigen. Es wird auch einige Lichtdekorationen geben, die sowohl die Weihnachtszeit als auch die Après-Ski-Kultur berücksichtigen.
Die Zeichnungen sind eine gute Gelegenheit, meine künstlerischen Interessen mit dem Kontext des Zermatter Winters zu verbinden. Ich freue mich sehr darauf und erlaube mir, locker zu sein und Spass zu haben. Ich bin ein bisschen besessen von dem Tunnel mit Teppich, der zum CERVO führt, wo einige Zeichnungen zu sehen sind. Es ist wie eine Ausstellung, die ich schon immer in einer Galerie machen wollte, aber bisher noch nicht gemacht habe.
Es ist immer eine Herausforderung, Dinge an einem kleinen Ort zu machen. Meine Arbeit, vor allem meine bildhauerische Arbeit, ist ziemlich urban. Da ich 15 Jahre lang in Los Angeles gelebt habe, bin ich auf die Industrie und die Verfügbarkeit bzw. Zugänglichkeit von Materialien/Ressourcen angewiesen, sodass diese Art von Projekten mehr Planung erfordert. Natürlich stellt auch das Fehlen eines richtigen Ateliers/Werkstatt eine Reihe interessanter Herausforderungen dar, aber als ständiger Wanderer fühle ich mich gut darauf vorbereitet, mich diesen Bedingungen zu stellen und anzupassen. Im Moment zeichne ich im Ferdinand – ein tolles Atelier.
Wie gehst du bei solch einem Projekt vor – wie startest du deinen Kreativprozess.
Ich denke, es fängt mit dem Ort an – viele meiner Arbeiten sind raumspezifisch, da der Kontext des Ortes, für den sie ursprünglich gemacht wurden, wichtig ist. Aber ich möchte auch Dinge herstellen, die überallhin mitgenommen werden können. Wie ich bereits erwähnt habe, ist die Arbeit an einem so abgelegenen Ort mit Einschränkungen verbunden, sodass mehr Planung im Voraus und die Beschaffung von Materialien erforderlich sind. Aber es gibt eigentlich keinen Anfang des kreativen Prozesses, denn er ist immer im Gange. Im Guten wie im Schlechten bin ich die Arbeit und die Arbeit, die bin ich.
Was hat dich bei der Installation vom CERVO inspiriert? Was inspiriert dich im Allgemeinen beim Kunstmachen?
Das CERVO ist natürlich der Ausgangspunkt für dieses Projekt – der Ort, die Stimmung, die Einstellung, die Marke. Da ich so viel in Aspen gearbeitet habe, wo ich die Slippery Slope Bar für das Aspen Art Museum gebaut habe, gibt es einige Überschneidungen, da Aspen und Zermatt sehr ähnlich sind. Im Allgemeinen lasse ich mich immer von Orten inspirieren – und von Sprache, alltäglichen Gegenständen (vor allem solchen, die dienen), der Dienstleistungsbranche, Trinken und Essen, Sex und allem, was mit Gesellschaft zu tun hat.
Passt deine Installation zur Grundhaltung/Vision/Konzept vom CERVO: «Beyond exploring»? Lassen sich Ansätze, Gedanken, Botschaften verbinden?
Ich hoffe es. Ich denke, das CERVO hat diesen nett kuratierten «alles geht»-Vibe, auf den ich versuche zu reagieren, während ich gleichzeitig die aufstrebende Qualität beibehalte, die sowohl die Marke CERVO als auch meine Kunst besitzen sollen. «Beyond» ist ein schönes Konzept – ich denke, dass Kunst immer ein wenig über die Norm, das Alltägliche, das Erwartete hinausgehen sollte. Dass das CERVO Künstler:innen für die «Cabin Essence»-Residenz einlädt, unterstützt wirklich das Engagement für das «Darüber hinaus».
Hast du so etwas schon mal woanders in ähnlicher Form gemacht? Welche Art/Form von Kunst machst du sonst?
Wie bereits erwähnt, habe ich die Bar im Aspen Art Museum geschaffen, die Teil einer Reihe von Bar-Skulpturen ist, die ich gemacht habe (Hiccup – Mexiko-Stadt, Sorry's – Toronto, Il Meandro – Rom). Ich fertige oft Skulpturen an, die – wie eine Bar – dienen oder anderweitig einen Ort bieten, an dem man sitzen, lehnen, rauchen oder eine Hut/Tasche/Mantel aufhängen kann. Meine Zeichnungen beginnen immer mit einem Ort – ich sammle Ephemera von überall, wo ich hingehe, und verwende sie als Grundlage für die Zeichnungen. Ich stehe in der Tradition von Künstler:innen wie Martin Kippenberger, On Kawara und Karen Kilimnik, bei denen die eigenen Reisen und persönlichen Interessen zu einer Arbeit führen, die sowohl auf dem Individuum basiert als auch für alle zugänglich ist.
Du kommst aus den USA, dort wird Weihnachten sehr gross gefeiert. Magst du Weihnachten? Wie feierst du Weihnachten?
Ich bin in der Wüste von Arizona aufgewachsen, daher ist Weihnachten dort ein komisches Konzept – es ist in der Regel sonnig und hat etwa 22 Grad – Weihnachtsmannmützen auf Saguaro-Kakteen. Ich liebe es, diese Zeit mit meiner Mutter und ihrem Partner zu verbringen, die jetzt in Las Vegas leben (was ich nicht liebe, aber die Hotels haben tolle Weihnachtsinstallationen ...). In den USA geht es bei Weihnachten vor allem um Konsum, daher bin ich froh, dass ich für dieses Projekt ausserhalb dieses Kontexts arbeite, auch wenn es von dieser Idee geprägt ist.
Meine Mutter hat die Tradition, dass sie mir jedes Jahr einen Nussknacker schenkt, der in der Regel etwas mit den Umständen meines Lebens im gleichen Jahr zu tun hat – einen Koch, als ich kochen lernte, einen Winzer in dem Jahr, in dem ich in Frankreich lebte, einen Feuerwehrmann, als meine Wohnung in Flammen aufging, einen Piloten in dem Jahr, in dem mein Vater starb (bei einem Flugzeugabsturz). Es ist wirklich eine besondere Sammlung voller Traurigkeit, Freude und Humor, ganz wie meine Arbeit, wenn sie am besten ist.
Dein Wunsch für dieses Weihnachten?
Frieden auf Erden. Ein Ende von Besatzung und Apartheid. Ein Ende der Kriege. Ein Ende der Ausbeutung und Versklavung im Namen von Technologie und Kapitalismus. Und vielleicht ein neues Paar Schuhe?
Wie geht deine Reise nach Zermatt weiter? Was steht 2024 an?
Nach Zermatt kehre ich kurz nach London und Los Angeles zurück, verbringe Weihnachten mit meiner Mutter in Las Vegas, und danach werde ich den Grossteil vom Januar und Februar in Aspen verbringen, Ski fahren und Zeit mit einem meiner besten Freunde und grösstem Unterstützer. Ich plane ab März dauerhaft nach London zu ziehen. Im Frühling werde ich eine Ausstellung von Gemälden in Rom kuratieren, und ich hoffe, dass das CERVO mich für etwas Frühlingsskifahren wieder einladen wird! Ha ha!
Was treibt dich im Leben – in deiner Kunst an? Was ist deine Motivation?
Auf die Frage «Was haben Sie eigentlich ausser Arbeit, Liebe, Rauchen und Trinken?» antwortete der Regisseur Rainer Werner Fassbinder lapidar: «Nichts.»
Adam Stamps Weihnachtsinstallation ist noch bis zum 10.01.2024 zu sehen und zu besichtigen.
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